Medienpädagogik an der FWS Karlsruhe
„Digitalisierung und Medienkompetenz endlich verwirklichen, KIT und Hochschulstandort Karlsruhe stärken! Hardware und Breitbandanschlüsse, sind zwar die Grundvoraussetzung, die wir leider auch noch nicht haben, wir brauchen aber vor allen die Schaffung von Medienkompetenz, nicht nur bei Schülern, sondern auch bei Lehrern und sinnvolle Medienkonzepte. Onlineunterricht kann nicht den Präsenzunterricht ersetzen, aber sinnvoll erweitern.“
Unter anderem mit diesen Worten stellt sich der politisch engagierte Norman Gaebel auf seiner Webseite vor. Er ist Dipl. Wirtschaftsinformatiker, hat eine Dozentenstelle an der DHBW, engagiert sich als ehrenamtlicher Richter am Verwaltungsgericht und ist Aufsichtsratsvorsitzender der Freien Waldorfschule Karlsruhe.
Das Thema Digitalisierung an Schulen beschäftigt die FWS Karlsruhe aber nicht erst seit Norman Gaebel in seiner Funktion im Aufsichtsrat tätig ist und nicht erst seit Corona, sondern als ein Seitenaspekt eines umfangreichen Medienkonzepts schon seit längerer Zeit. Die technische Realisierung durch entsprechende LAN-Verkabelung und durch die Bereitstellung von Hardware ist hierbei zwar aufwendig, aber gut handhabbar. Eine wesentlich größere Herausforderung und damit auch den Schwerpunkt, stellt die medienpädagogische Aufgabe dar. Die Kernfrage dabei ist: Wie sieht eine Medienpädagogik aus, die sich an der leiblich-seelischen Entwicklung des Kindes orientiert? Erste Antworten lieferte Gastredner Prof. Dr. Edwin Hübner, Professor für Medienpädagogik an der Freien Hochschule Stuttgart, am 23.09.2021 bei einem Vortrag für die Schulgemeinschaft in Karlsruhe.
Wie passt das zusammen? Laptop, Smartphone und Waldorfpädagogik? Wie können die waldorfpädagogischen Aspekte des Lehrens und Lernens, die so sehr auf Begegnung, Beziehung und Präsenz ausgerichtet sind, in einem Medienkonzept fruchtbar genutzt werden? Wo gibt es Verknüpfungsmöglichkeiten? Was unterstützt? Und was schädigt oder behindert? Viele Fragen, die Antworten suchen und denen sich die Pädagogen der FWS stellen. Das ist oft keine leichte Arbeit – es braucht ein gutes Miteinander von traditionellen pädagogischen Methoden und einer sinnvollen Integration von neuen Lerninhalten auf Basis eines Medienverständnisses im Umgang mit digitalen Prozessen und Medien.
Professor Hübner konnte mit seiner lockeren und witzigen Art einen Raum öffnen für ein neues Verständnis im Umgang mit den digitalen Medien. Er skizzierte in einer Rückschau die Entwicklung der „Maschinisierung“ vom frühen 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart mit ihrer Herausforderung im Umgang mit künstlicher Intelligenz und selbst-optimierenden Geräten. Fragen, die sich auch Eltern und Lehrer*innen immer wieder stellen, konnte Herr Hübner in seinem Ursprung packen und erklären. Was sind eigentlich Medien und wie verändern sie die Welt und uns als Menschen? Welche Kompetenzen brauchen wir im Umgang mit ihnen? Wie können wir Schüler*innen in ihrer Medienmündigkeit stärken, sie in einem von Medien geprägten Alltag erziehen?
Herr Däschner ist Lehrer an der FWS Karlsruhe und unterrichtet die Oberstufe im Fachbereich Medienkunde. Als Mitglied der Delegation „Steuerungsgruppe Medien“ konnte er im Interview mit Herrn Gaebel das Thema Medien, wie es an der Waldorfschule gelebt und gelehrt wird, ausführlich erläutern. „Wir brauchen ein Medienkonzept von Klasse 1 bis 12, um unsere Schüler*innen guten Gewissens in die digitalisierte Welt entlassen zu können“ – als diplomierter Medienkünstler weiß Achim Däschner nur zu gut, wie ein künstlerisch-praktischer Umgang mit Medien umgesetzt werden kann und welch große Aufgabe das für eine Schule ist. „Medien sind die Erweiterung unserer Möglichkeiten, unserer Gliedmaßen. So wie wir manchmal einen Hammer brauchen, können Medien für Dinge eingesetzt werden, die wir anders nicht hinbekommen würden. Unabdingbar dafür ist Hintergrundwissen“.
Wie funktioniert das Internet, eine HTML-Quellcodeprogrammierung, und wie gestalte ich damit eine Homepage? Wie programmiere ich eine App für Android-Smartphones, wie funktionieren Fake-News, beispielsweise mittels Audio- oder Bildbearbeitung, und wie gestalte ich Schriftarten für den Computer, die eigene Handschrift von analog zu digital? „Wichtig ist, dass die Schüler*innen Selbstwirksamkeitserfahrungen im Sinne von „Die Welt ist gestaltbar“, „Die Welt ist handhabbar“ erleben und sie ganz allgemein durch Kohärenzerlebnisse in ihrer Resilienz, auch in Bezug auf die Medien, gestärkt werden. Die Waldorfschule bietet dafür die besten Möglichkeiten durch die unterschiedlichen Fächer wie Schmieden, Gartenbau und eben auch Medienpädagogik“, erklärt Achim Däschner. „Es ist außerordentlich wichtig, dass die Schüler*innen Stück für Stück ein Medialitätsbewusstsein entwickeln, also das Bewusstsein darüber, in welcher der beiden Welten, analog oder digital, man sich gerade bewegt. Dies ist die Grundvoraussetzung dafür, zu entscheiden, wann man welche Medien einsetzt, und wann man die Geräte wieder ausschalten sollte“.
Die „Steuerungsgruppe Medien“ der FWS Karlsruhe denkt viele neue Ansätze und beschreitet neue Wege. Die Delegation besteht aus Oberstufenschüler*innen, Eltern und Lehrer*innen. In den regelmäßigen Treffen werden technische und pädagogische Aspekte erörtert und Entscheidungen vorangetrieben und umgesetzt. Die sich stellenden Aufgaben sind so groß und vielfältig, dass die Delegation sich jederzeit über weitere Mitglieder freut. „Technisch sind wir gut aufgestellt und sollten wir, wider Erwarten, erneut in einen Online-Unterricht ausweichen müssen, können wir von jetzt auf gleich den Lehrbetrieb umstellen und auf unserer Schulplattform einen stabilen, digitalen Unterricht gewährleisten“, so Däschner. „Ein Wermutstropfen ist hierbei lediglich die Anbindung an das Glasfasernetz: Sie steht noch aus und ist derzeit leider auch noch nicht in Sicht.“