Das Gespenst von Canterville
In der Waldorfschule stehen die Klassenspiele der achten und zwölften Klasse an Schnittpunkten im Leben des jungen Menschen – sie markieren entscheidende Abschnitte der jugendlichen Entwicklung: das Achtklass-Spiel den Abschied vom Kind-sein und den Übergang ins Jugendalter, das Zwölftklass-Spiel den Eintritt in das Erwachsensein und den Abschied von der Schule. Diese einschneidenden Umbrüche sind den jungen Menschen deutlich anzumerken.
Der künstlerische und pädagogische Auftrag des Theaterprojekts
Die Herausarbeitung eines Bühnenstücks und die Entwicklung einer Inszenierung soll zeigen, dass Schauspiel, Sprache, Geste, Handlung, Bühnenbild und Kostüme zu einem schlüssigen Ganzen werden. Das Stück wird von den Schülern selbst ausgewählt und in zwei Besetzungen öffentlich aufgeführt, damit jeder eine oder mehrere kleine Rollen bekommt.
Der persönliche, künstlerische Umgang mit dem Schauspiel bietet den Schülern und Schülerinnen ganz andere, neue Möglichkeiten als die rein intellektuelle Auseinandersetzung mit Literatur im Unterricht. Die Schüler*innen müssen ihre Rollen erarbeiten und gemeinsam Szenen entwickeln, also Texte lernen, Charaktere finden, sich darstellen, zusammen auftreten, Kritik üben und aushalten. Diese intensive Projektarbeit schärft die sozialen Kompetenzen und belebt die Klassengemeinschaft.
Die Klasse 8a der FWS Karlsruhe hat für Ihr Klassenspiel die Erzählung Oscar Wildes „Das Gespenst von Canterville“ ausgewählt. Direkt nach den Winterferien beginnen für die 29 Schülerinnen und Schüler drei intensive Probewochen.
Unterstützt wird die Klasse von ihren Klassenbetreuer*innen Frau Künzler und Herrn Bühler sowie von Herrn Dähn, der die Text- und Szenenproben mit begleitet. Frau Raffalt, die als ausgebildete Theaterregisseurin eigens aus Wien angereist ist, führt Regie und ist für die Inszenierung verantwortlich. Frau Raffalt hat etliche Projekte mit Kindern und Jugendlichen an verschiedenen großen Theaterhäusern in Bochum, Zürich und bis zuletzt 2016 im Burgtheater in Wien inszeniert und hilft nun den Schüler*innen sich in ihre neuen Identitäten einzufinden und diese zum Leben zu erwecken.
Jeden Morgen gibt es zunächst eine Regiebesprechung und ein Probefahrplan wird für den Tag erstellt. Dann schlüpfen die Schülerinnen und Schüler in ein zunächst neues „Gewand“ und werden allmählich zur ausgewählten fiktiven Figur. Diese Verwandlung ist auch eine individuelle Entwicklung. Die Fähigkeit in ein Rolle zu schlüpfen ist im Grunde jedem Kind zu eigen. Sie ahmen eine Tätigkeit nach und lernen dadurch. Ohne diese Fähigkeit gäbe es keine Veränderung unserer Person. Das wirkliche Selbst wird davon permanent umspielt. Prägungen von außen, aber auch die innere Entwicklung – der Mensch, den man in verschiedenen Konstellationen darstellt und verkörpert, ermöglicht Begegnungen mit dem eigenen Selbst und somit seelisches Wachstum.
Auch das Bühnenbild, Requisite und die Kostüme werden von den Schülerinnen und Schülern mit gestaltet und ausgesucht. Herr Schraft hilft beim Bühnenbau, Herr Wachter setzt die Szenen ins rechte Licht und bringt den Sound mit, Frau Hellbeck öffnet den Kostümfundus der Schule und unterstützt in der Maske.
Dann heißt es am 25. und 26.03.2022 – Vorhang auf und Bühne frei für die Klasse 8a in der Inszenierung
Das Gespenst von Canterville
Das amerikanische Ehepaar Otis zieht mit seinen vier Kindern in das alte Schloss der Cantervilles im ländlich, abgelegenen England ein. Die selbstbewusste amerikanische Familie lässt sich trotz vieler Warnungen der Verkäufer und der Haushälterin vor dem Hausgeist, der als Lady Eleonore seit vielen hundert Jahren dort beheimatet ist und alle Bewohner in Angst versetzt, nicht abschrecken und belebt das Anwesen neu.
Lady Eleonore hingegen, die eine ganze Geisterbande unter ihrem Regiment führt, ist regelrecht verzweifelt, da sich diese Familie nicht erschrecken, geschweige denn vertreiben lässt. All ihren Bemühungen im Ketten rasseln und rollenden Köpfen begegnen die Otis mit Gleichmut und Frohsinn. Dann aber schließt Lady Eleonore Freundschaft mit Tochter Virgina Otis und findet in dieser auch ihre Erlöserin vom Geist-sein und Herumspuken – denn nur wahre Zuneigung oder Liebe kann den Spuk lösen und Lady Eleonore nach vielen hundert Jahren „befreien“ um ihr den gewünschten Tod zu schenken.
Die Erzählung Oscar Wildes aus dem Jahre 1887 wurde hier ganz wunderbar neu inszeniert und mit modernen, humorvollen Elementen sehr schön in Szene gesetzt. Dieser Spagat ist der Klasse besonders gut gelungen.
Herzlichen Glückwunsch!