Jahrgangsklassen

Die Schüler*innen werden gemeinsam bis zur zwölften Klasse in Jahrgangsklassen geführt. Es gibt keine Auslese oder Sitzenbleiben. Die Unterrichtsinhalte zielen nicht nur auf den Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten, sondern sie sollen auch auf altersspezifische Entwicklungsbedürfnisse und Fragen Antwort geben. Der Unterricht soll den Kindern und Jugendlichen einen Rahmen bieten, durch den sie Halt finden und auch ihre Grenzen erfahren können. 

Das Prinzip der Jahrsgangsklassen erfordert bei gleichem Stoffangebot eine methodische Binnendifferenzierung. Das gegenseitige Erleben der unterschiedlichen Fähigkeiten und Begabungen, aber auch der Umgang mit den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten fördert die Sozialkompetenz der Schüler*innen. Dieser pädagogische Ansatz will von den Klassenelternschaften bewusst mitgetragen sein. Der Begegnung der Elternhäuser untereinander über die Elternabende hinaus kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu.

Hauptunterricht

Der Stundenplan nimmt den Tagesrhythmus des Kindes auf. So beginnt der Unterricht jeden Morgen mit einer Doppelstunde, dem Hauptunterricht. Hier wird ein Stoffgebiet täglich über mehrere Wochen hin behandelt, um eine tiefergehende Verbindung mit den angesprochenen Inhalten zu ermöglichen („Epochenunterricht“).

Vom ersten bis zum achten Schuljahr erteilt der*die Klassenlehrer*in den bildhaft aufgebauten Hauptunterricht (Klassenstufen/ Lernen in Bildern). Künstlerische Elemente und die Sinnes- und Bewegungsschulung sind im Hauptunterricht immer präsent. So durchziehen Malen und Zeichnen, Musizieren, Rezitieren, gelegentlich auch plastisches Arbeiten und das Einüben von Theaterspielen die gesamte Unterrichtszeit.

In der Oberstufe wird der Hauptunterricht von Fachlehrer*innen übernommen, die als Klassenbetreuer*innen an die Stelle der Klassenlehrer*in treten. Was bis jetzt als als „Bild der Welt“ entstanden ist, soll nun von dem Erlebnis durchdrungen werden: „Die Welt ist wahr.“ Praktika innerhalb und außerhalb der Schule geben die Möglichkeit einer eigenständigen Welterfahrung. Selbstständiges Lernen und Arbeiten tritt immer stärker in den Vordergrund und gipfelt in den Jahresarbeiten der zwölften Klasse. (Klassenstufen/ Erziehung zur Freiheit)

Epochenunterricht

Wenn uns ein Problem plagt, so hört man oft den Rat: „Schlaf doch mal drüber!“ Dahinter steckt die Erfahrung, dass ein Problem, das in die Nacht hinüber genommen wird, am nächsten Tag ganz anders aussieht oder neue Aspekte zeigt. Dasselbe gilt auch für Lernvorgänge. Was an einem Tag aufgenommen oder geübt wurde, tritt am nächsten Tag in verwandelter Form, z. B. als Können wieder hervor. Diese Erfahrung wird in der Waldorfpädagogik ganz bewusst für die Förderung der Lernvorgänge eingesetzt. Lernen wird auf diese Weise nicht zu einem linearen Vorgang, bei dem stets weiteres Wissen angehäuft würde, es wird zu einem Rhythmus, in dem Aufnehmen, Vergessen und Erinnern gleichermaßen zum Lernvorgang beitragen.

Anwendung findet das im Epochenunterricht, bei dem ein Fach über drei bis vier Wochen jeden Tag in den ersten Stunden (dem „Hauptunterricht“) gegeben wird. Die Konzentration auf ein Thema über mehrere Wochen ermöglicht es den Schüler*innen, sich intensiv mit dem Stoff zu verbinden und tiefer einzutauchen, als es mit über die Woche verteilten Fachstunden möglich ist. Deswegen wird dieses Prinzip auch in manchen Fachunterrichten eingesetzt, z.B. im Bereich Handwerk und Kunst in der Oberstufe.

Projektunterricht

Unterricht in Projektform gehört bei uns zum Alltag, denn jeder Unterricht, der in Epochen gegeben wird, ist im Grunde ein kleines Projekt. Doch wird der Schulalltag immer wieder durch Ereignisse bereichert, die den Takt des Stundenplans außer Kraft setzen und ein besonderes Glanzlicht im Schuljahr für die betreffende Klasse bedeuten.

Das beginnt in der dritten Klasse mit der Hausbau- und der Ackerbau-Epoche. Kleine Ausflüge werden zu Exkursionen und Klassenfahrten. Unvergessliche Ereignisse sind die Klassenspiele in der achten und zwölften Klasse. Auch beim Mittsommerspiel der vierten Klassen kann unser Saal das Publikum kaum fassen. Die Arbeit der musikalischen Gruppen in der Mittel- und Oberstufe gipfelt jedes Jahr vor Pfingsten im Schulkonzert. Eine besondere „Leistungsschau“ ist die Vorstellung der Jahresarbeiten der Schüler*innen der zwölften Klassen. Fester Bestandteil des Curriculums der Oberstufe sind verschiedene Praktika ab Klasse neun.

Praktika

In den Klassen 9, 10 und 11 haben die Oberstufenschüler*innen jeweils dreiwöchige Praktika. 

Es beginnt in Klasse neun mit dem Landwirtschaftspraktikum. Die Schüler*innen verbringen drei Wochen auf einem Bauernhof und erleben die Menschen und die Arbeit, die unsere Ernährung schaffen. Dabei erfahren sie, auf sich selbst gestellt zu sein, eigene Initiative zu entwickeln und auf andere Menschen zuzugehen, sich dabei aber auch einzugliedern. Bei der körperlichen Arbeit lernen sie, sowohl konzentriert und zielstrebig zu arbeiten, als auch ihren Körper bewusst und sinnvoll einzusetzen.

Im zehnten Schuljahr folgt ein Praktikum in Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben. Hier lernen die Schüler*innen die heutige Arbeitswelt in einem überschaubaren Betrieb mit manueller Arbeit kennen. Das Praktikum dient nicht – zumindest nicht in erster Linie – der beruflichen Orientierung, sondern dem Kennenlernen der Arbeitswelt, ihrer Abläufe und ihrer Spezialisierung. Hier müssen die Schüler*innen ihren Platz finden und einen Weg finden, um in der begrenzten Zeit des Praktikums sinnvolle Arbeit zu tun.

In der 11. Klasse zeigen die jungen Menschen wieder mehr Offenheit für die Welt, für das, was um sie herum vorgeht. Nun steht das Sozialpraktikum an. Hier können die Schüler*innen wahrnehmen, wie es Menschen in anderen Lebenssituationen geht, z.B. in Altersheimen, Kindergärten, heilpädagogischen Einrichtungen, Krankenhäusern und mehr. Sie erleben dort einen Alltag mit all den Bedürfnissen und Problemen der Betreuer*innen und der Betreuten und erweitern ihren Blick auf das soziale Miteinander. Die Schüler*innen leisten in diesem Praktikum einen sozialen Beitrag und erfahren auch, wie sich diese Hinwendung im Leben anderer Menschen auswirkt.

Fachunterricht 

Der Fachunterricht wird auf den Gebieten erteilt, die ein ständig wiederholendes Üben erfordern. Meist wird dafür die Gesamtklasse in zwei oder drei Gruppen aufgeteilt.

  • Musik und Eurythmie werden in allen Klassenstufen unterrichtet. 
  • Aus dem Handarbeitsunterricht der ersten Klasse entwickelt sich im Laufe der Schulzeit ein breites Spektrum verschiedener Gewerke, die neben dem Erwerb entsprechender Fertigkeiten auch Lebenskunde und Lebenspraxis vermitteln. Die bildenden Künste treten erst in der Oberstufe als gesonderte Fächer auf. 
  • Unterricht in Gymnastik und Turnen wird in allen Klassen erteilt.
  • Englisch und Französisch werden ab der ersten Klasse unterrichtet. Schüler*innen, die mit den Anforderungen eines fortgeschrittenen Unterrichtes in einer zweiten Fremdsprache überfordert sind, können ab der zehnten Klasse ein alternatives Unterrichtsangebot wahrnehmen, in dem sie ihren Fähigkeiten und Begabungen entsprechend gefördert werden.
  • In der Oberstufe treten Unterrichtsgebiete hinzu, die die Schüler mit den Grundlagen des heutigen industriellen und wirtschaftlichen Lebens vertraut machen, beispielsweise Informatik und Technologie.
  • Die Schule unterrichtet Kinder verschiedener Bekenntnisse; sie erzieht nicht zu einer bestimmten Weltanschauung. Konfessioneller Religionsunterricht wird auf Wunsch der Eltern von Vertreter*innen der Konfessionen erteilt. Für Kinder, deren Eltern keinen konfessionellen Religionsunterricht wünschen, bietet die Schule einen Freien Religionsunterricht an.

Zeugnisse

Zum Ende jedes Schuljahres schreiben die Klassenlehrer*in bzw. Klassenbetreuer*innen eine ausführliche textliche Beurteilung. In ihr werden die Entwicklungsschritte des Kindes oder des Jugendlichen charakterisiert. Die Fachlehrer*innen ergänzen diese Zeugnistexte mit eigenen Beiträgen.

Die Waldorfschulen verzichten auf Notengebung und ein Versetzungssystem. Es besteht die große Anforderung an die Lehrer*innen, die Schüler*innen trotzdem – immer und überall – für den Unterrichtsstoff zu interessieren. Nur der Unterrichtsgegenstand selber darf der Antrieb zum Lernen sein und nicht äußere Maßnahmen. Aber wird da überhaupt gelernt? Die Antwort darauf ist so individuell wie die Schüler*innen selbst. Die meisten Schüler*innen wollen lernen, das Problem liegt eher im Auseinanderklaffen von Wunsch und Wirklichkeit – der junge Mensch schafft es oft nicht, das zu tun, was er oder sie sich vornimmt. Dieses Problem geht uns ja alle mehr oder weniger an. An der Waldorfschule sollen die Schüler aber nicht ein „Willenskorsett“ verpasst bekommen, indem sie durch die Drohung der Nichtversetzung zur Leistung gezwungen werden. Die Waldorfschule sucht andere Methoden, um die Schüler*innen zur Leistung anzuhalten. Das Lernen in Bildern und das Lernen in Rhythmen tragen dazu bei. In der Unter- und Mittelstufe werden „gute Gewohnheiten“ angelegt, die auch später in der Oberstufe helfen, ein gediegenes Lernklima zu schaffen.

Diese Abschlüsse können an unserer Schule erworben werden.

Jahresarbeiten

Mitte der elften Klasse präsentieren die Schüler*innen ihre Jahresarbeiten. Dabei stellen sie die Ergebnisse eines zirka einjährigen Prozesses vor, in dem sie sich mit einem bestimmten Thema sehr intensiv auseinandergesetzt haben. Dieses Thema ist nicht an ein bestimmtes Unterrichtsfach gebunden, sondern kann frei gewählt werden. Die Jahresarbeit besteht aus einem schriftlichen Teil, der eine theoretische Auseinandersetzung enthält sowie aus einem künstlerisch-praktischen Teil, im dem konkrete Arbeitsergebnisse wahrnehmbar werden.

Eine Jahresarbeit ist eine besondere Lernleistung. Es werden Zeitmanagement, Planungs- und Organisationsfähigkeit sowie strukturiertes Arbeiten trainiert. Sie ist auch ein schöpferisch-künstlerischer Akt, bei dem die Schüler*in ein Gefühl für die richtige Gestalt des entstehenden Werkes entwickelt. Und es erfordert Mut und Überwindungsfähigkeit, wenn es darum geht, die Arbeit vor einem großen Publikum vorzustellen. Der Weg vom Entstehen der Idee über die einzelnen Arbeitsphasen mit Höhen und Tiefen hinweg bis hin zum Glücksgefühl beim vollendeten Produkt wirkt sich auf die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler*in positiv aus, weil sie aktiv am gesamten Prozess beteiligt ist, in hohem Maße gestalterisch tätig wird und sich selbst als schöpferischen Teil der Welt wahrnehmen kann.